Nikolaus Lenau



                   Schilflieder


                    1

                   Drüben geht die Sonnen scheiden,
                   Und der müde Tag entschlief.
                   Niederhangen hier die Weiden
                   In den Teich,so still, so tief.

                   Und ich muß mein Liebstes meiden:
                   Quill, o Träne, quill hervor!
                   Traurig säuseln hier die Weiden,
                   Und im Winde bebt das Rohr.

                   In mein stilles, tiefes Leiden
                   Strahlst du, Ferne! hell und mild,
                   Wie durch Binsen hier und Weiden
                   Strahlt des Abendsternes Bild.


                    2

                   Trübe wird's, die Wolken jagen,
                   Und der Regen niederbricht,
                   Und die lauten Winde klagen:
                   "Teich, wo ist dein Sternenlicht?"

                   Suchen den erloschnen Schimmer
                   Tief im aufgewühlten See.
                   Deine Liebe lächelt nimmer
                   Nieder in mein tiefes Weh.


                    3

                   Auf geheimem Waldespfade
                   Schleich ich gern im Abendschein
                   An das öde Schilfgestade
                   Mädchen, und gedenke dein!

                   Wenn sich dann der Busch verdüstert,
                   Rauscht das Rohr geheimnisvoll,
                   Und es klaget, und es flüstert,
                   Daß ich weinen, weinen soll.

                   Und ich mein, ich höre wehen
                   Leise deiner Stimme Klang
                   Und im Weiher untergehen
                   Deinen lieblichen Gesang.


                    4

                   Sonnenuntergang;
                   Schwarze Wolken ziehn,
                   O wie schwül und bang
                   Alle Winde fliehn!

                   Durch den Himmel wild
                   Jagen Blitze, bleich;
                   Ihr vergänglich Bild
                   Wandelt durch den Teich.

                   Wie gewitterklar
                   Mein ich dich zu sehn,
                   Und dein langes Haar
                   Frei im Sturme wehn!


                    5

                   Auf dem Teich, dem regungslosen,
                   Weilt des Mondes holder Glanz,
                   Flechtend seine bleichen Rosen
                   In des Schilfes grünen Kranz.

                   Hirsche wandeln dort am Hügel,
                   Blicken in die Nacht empor;
                   Manchmal regt sich das Geflügel
                   Träumerisch im tiefen Rohr.

                   Weinend muß mein Blick sich senken;
                   Durch die tiefste Seele geht
                   Mir ein süßes Deingedenken,
                   Wie ein stilles Nachtgebet!


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