Johann Christoph Friedrich von Schiller



                   Der Handschuh


                   Vor seinem Löwengarten,
                   Das Kampfspiel zu erwarten,
                   Saß König Franz,
                   Und um ihn die Großen der Krone,
                   Und rings auf hohem Balkone
                   Die Damen in schönem Kranz.

                   Und wie er winkt mit dem Finger,
                   Auftut sich der weite Zwinger,
                   Und hinein mit bedächtigem Schritt
                   Ein Löwe tritt
                   Und sieht sich stumm
                   Ringsum
                   Mit langem Gähnen
                   Und schüttelt die Mähnen
                   Und streckt die Glieder
                   Und legt sich nieder.

                   Und der König winkt wieder,
                   Da öffnet sich behend
                   Ein zweites Tor,
                   Daraus rennt
                   Mit wildem Sprunge
                   Ein Tiger hervor.

                   Wie der den Löwen erschaut,
                   Brüllt er laut,
                   Schlägt mit dem Schweif
                   Einen furchtbaren Reif
                   Und recket die Zunge,
                   Und im Kreise scheu
                   Umgeht er den Leu,
                   Grimmig schnurrend,
                   Drauf streckt er sich murrend
                   Zur Seite nieder.

                   Und der König winkt wieder,
                   Da speit das doppelt geöffnete Haus
                   Zwei Leoparden auf einmal aus,
                   Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
                   Auf das Tigertier;
                   Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
                   Und der Leu mit Gebrüll
                   Richtet sich auf, da wirds still;
                   Und herum im Kreis,
                   Von Mordsucht heiß,
                   Lagern sich die greulichen Katzen.

                   Da fällt von des Altans Rand
                   Ein Handschuh von schöner Hand
                   Zwischen den Tiger und den Leun
                   Mitten hinein.

                   Und zu Ritter Delorges, spottenderweis,
                   Wendet sich Fräulein Kunigund:
                   "Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,
                   Wie Ihr mirs schwört zu jeder Stund,
                   Ei, so hebt mir den Handschuh auf!"

                   Und der Ritter, in schnellem Lauf,
                   Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger
                   Mit festem Schritte,
                   Und aus der Ungeheuer Mitte
                   Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

                   Und mit Erstaunen und mit Grauen
                   Sehns die Ritter und Edelfrauen,
                   Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
                   Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
                   Aber mit zärtlichem Liebesblick —
                   Er verheißt ihm sein nahes Glück —
                   Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
                   Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
                   "Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"
                   Und verläßt sie zur selben Stunde.


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