Johann Christoph Friedrich von Schiller



                   Der Jüngling am Bache


                   An der Quelle saß der Knabe,
                   Blumen band er sich zum Kranz,
                   und er sah sie fortgerissen,
                   treiben in der Wellen Tanz!
                   "Und so fliehen meine Tage
                   wie die Quelle rastlos hin!
                   Und so schwindet meine Jugend,
                   wie die Kränze schnell verblühn.

                   Fraget nicht, warum ich traure
                   in des Lebens Blütenzeit!
                   Alles reget sich und hoffet,
                   wenn der Frühling sich erneut.
                   Aber diese tausend Stimmen
                   der erwachenden Natur
                   wecken in dem tiefen Busen
                   mir den schweren Kummer nur.

                   Was kann mir die Freude frommen,
                   die der schöne Lenz mir beut?
                   Eine nur ist’s, die ich suche,
                   sie ist nah und ewig weit.
                   Meine Arme breit ich sehnend
                   nach dem teuren Schattenbild,
                   ach, ich kann es nicht erfassen
                   und das Herz bleibt ungestillt!

                   Komm herab, du schöne Holde,
                   und verlaß dein stolzes Schloß!
                   Blumen, die der Lenz geboren,
                   schütt ich dir in deinen Schoß.
                   Horch, der Hain erschallt von Liedern,
                   und die Quelle rieselt klar.
                   Raum in der kleinsten Hütte
                   für ein glücklich liebend Paar."


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